Die vietnamesischen Soldaten des 1. Weltkrieges

1. Weltkrieg 01

In diesem Jahr jaehrte sich zum 100. Male der Beginn des 1. Weltkrieges. Nur eine Fussnote in der Geschichte dieses Krieges ist die Tatsache, dass auch viele Vietnamesen auf Seiten der Kolonialmacht Frankreich in Europa kaempften. Theoretisch waren es Freiwillige, da es damals in den franzoesischen Kolonien keine Wehrpflicht gab. Sie wurden vor allem unter den armen Bauern Nordvietnams angeworben und mit vielen Versprechungen nach Europa gelockt. Diese Versprechungen wurden allerdings nach der Rueckkehr der „Freiwilligen“ in die Heimat allesamt nicht eingehalten.

1. Weltkrieg 021. Weltkrieg 03

1. Weltkrieg 041. Weltkrieg 05

Von den etwa 100.000 Vietnamesen, die fuer Frankreich kaempften, waren ungefaehr 50.000 als Bausoldaten eingesetzt. Die andere Haelfte diente in den kaempfenden Einheiten. Dabei kamen nach den offiziellen Zahlen des franzoesischen Verteidigungsministeriums 1.374 Vietnamesen ums Leben. Inoffizielle Schaetzungen sprechen allerdings von bis zu 30.000 Toten. Viele der Ueberlebenden schlossen sich nach ihrer Rueckkehr mit ihren neuen Erfahrungen und ihrem neuen Wissen aus Europa dem Befreiungskampf gegen Frankreich an.

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Cathrin

1. Weltkrieg 06

Die Legende von den 100 Eiern Eine Version der Mường

50 Soehne und 50 Toechter


Die Legende von Lạc Long Quân und Âu Cơ
gehoert zu den beruehmtesten Geschichten Vietnams. Âu Cơ brachte einen Sack mit 100 Eiern zur Welt, woraus einhundert Soehne schluepften. Fuenfzig Soehne gingen mit der Mutter in die Berge, die anderen fuenfzig zogen mit dem Vater in den Sueden ans Meer (gemeint ist das Delta des Roten Flusses). Der aelteste Sohn wurde zum Thronfolger ernannt und unter dem Namen Hùng Vương (Koenig Hùng) bekannt. Er gab seinem Reich den Namen Văn Lang und gruendete die Hồng Bàng-Dynastie.

Nachdem die Legende jahrhundertelang nur muendlich ueberliefert wurde, erschien sie in schriftlicher Form erstmalig im 15. Jahrhundert unter dem Titel Truyện họ Hồng Bàng in der Textsammlung Lĩnh Nam chích quái. Diese Legende von den 100 Eiern gibt in unterschiedlichen Versionen auch bei den Mường, die von vielen Gelehrten als die eigentlichen Ureinwohner Nordvietnams betrachtet werden. Allerdings unterscheiden sich die Versionen der Mường in einigen Punkten deutlich von denen der Vietnamesen. Die folgende stammt aus Hòa Bình.

Siedlungsgebiet der Muong

Als das Land noch unbewohnt war, wurde eines Tages ein wunderschoener Baum namens Si, der auf einem Berg stand, von einem heftigen Sturm umgestuerzt. Beim Sturz des Baumes wurden zwei Voegel geboren. Die Voegel bauten ihr Nest in der Hoehle Hào (heute: Hang Ma Chung Dien im Distrikt Gia Viễn der Provinz Ninh Bình. Sie legten 100 Eier, von denen sich drei deutlich in ihrer Groesse von den anderen unterschieden und sich schliesslich in Menschen verwandelten. So wurden Ây und Ứa, die ersten Menschen, geboren.

Fuenf Monate vergingen, doch keines der anderen Eier liess sich ausgebrueten. Verzweifelt gingen Ây und Ứa in den Wald. Dort trafen sie die goettlichen Feen Dam Cu Cha und Gia Cha Giang, denen sie ihre Sorgen offenbarten. Die beiden Feen gaben den Rat, die Eier in ein dickes Kraeuterbett zu legen und alle fuenf Tage umzuschichten. Ây und Ứa bedankten sich bei den Feen und folgtem ihrem Rat. Fuenfzig Tage spaeter schluepften Soehne und Toechter aus den 97 Eiern. 50 zogen in das Flussdelta und wurden die Vorfahren der Vietnamesen. Die anderen 47 bevoelkerten das Bergland und wurden zu Ahnen der Mường und der anderen Bergvoelker.

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Cathrin

Vorfahren der Muong

Te tấc te đác – Die Geburt von Erde und Wasser

Muong

Das mythologische Epos Te tấc te đác (vietnamesisch: Đẻ đất đẻ nước) ist der Stolz des Volkes der Mường. Diese Sammlung von Geschichten in Versen ist ein einzigartiges kulturelles Zeugnis und erzaehlt ueber die Entstehung von Himmel und Erde, von der Zeit in der es noch kein Leben gab bis zu den ersten Generationen der Volksgruppe der Mường. Es wurde von Generation zu Generation ueberliefert und kann auch als Enzyklopaedie ueber die Sitten und Braeuche der Mường bezeichnet werden. Mit Hilfe dieses Poems erzaehlen nicht nur die Eltern ihren Kindern ueber das Leben der Vorfahren, es spielt auch bei Trauerfeiern eine wichtige Rolle. Bevor ein Verstorbener die Welt verlaesst, liest ein Schamane bestimmte Stellen aus dem Poem und erzaehlt ihm ueber die Herkunft der Menschen.

De Dat De Nuoc

Das Poem berichtet ueber riesige Ueberschwemmungen, darauffolgende extrem heisse Duerreperioden sowie ueber einen geheimnisvollen Baum, der darueber aufklaert, wie die Mường geboren wurden. Auch die Herkunft des Landes und der Doerfer werden darin erwaehnt. Dabei wird die meiner Meinung nach sehr vernuenftige Auffassung vertreten, dass nicht irgendein Gott alles erschaffen hat, sondern einzig und allein die Natur fuer die Entstehung von Himmel, Erde, Fluessen und Seen verantwortlich ist. Natuerlich fehlt auch die Geschichte von den 100 Eiern nicht, die es in aehnlicher Form auch bei den mit den Mường eng verwandten ethnischen Kinh (Vietnamesen) gibt. Doch waehrend bei den Kinh 100 Soehne aus den Eiern schluepften, waren es bei den Mường 50 Soehne und 50 Toechter. Was fuer das Fortbestehen eines Volkes durchaus logisch klingt.

Das Poem wurde frueher nur muendlich ueberliefert. Da die Mường ueber ein grosses Gebiet im noerdlichen Vietnam verstreut leben, gibt es heute mehrere verschiedene Versionen, die zwischen 8.500 und 16.000 Verse umfassen. Unterschiedlich sind jedoch nur die Details, die Inhalte sind einander aehnlich. Das in Buchform veroeffentlichte Epos orientiert sich an einer Version aus der Provinz Thanh Hóa. Die letzte ueberarbeitete Ausgabe erschien 2012. Die Ausgabe auf dem Foto ist aus dem Jahre 1974.

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Cathrin

Hanoi kulinarisch – Cửa Hàng Ăn Uống Mậu Dịch Số 37

Restaurant 01

Dieses Restaurant ist kein gewoehnliches Restaurant. Es ist gleichzeitig auch ein Museum.Die Zeitreise fuehrt in die Periode der sozialistischen Plan- und Misswirtschaft in den Jahren nach der Wiedervereinigung, die heute rueckblickend in Vietnam als Thời bao cấp bezeichnet wird. Uebersetzen koennte man das etwa mit Periode der Zuschusswirtschaft oder der subventionierten Wirtschaft.

Restaurant 02Restaurant 03

Diverse Ausstellungstuecke informieren ueber das schwere Leben in der Zeit von den spaeten 1970er bis zum Ende 1980er Jahre, das vor allem von Mangel gekennzeichnet war. Selbst das wichtigste Grundnahrungsmittel Reis war oft knapp und wurde nicht selten mit Maniok gestreckt. Freie Maerkte gab es nicht. Lebensmittel (ausser Gemuese) wurden nur auf Marken verkauft. In Hanoi standen einem Erwachsenen je nach Schwere seiner Arbeit zwischen 13 und 25 Kilo Reis im Monat zu. Kinder erhielten je nach Alter zwischen 5 und 9 Kilo. Auch bei der Fleischzuteilung wurden Unterschiede gemacht. Eine Person mit eher leichter Buerotaetigkeit bekam 300 Gramm im Monat, ein Schichtarbeiter 700 Gramm und ein Polizist 1,5 Kilo. Dazu gab es monatlich z.B. 1 Kilo Fisch, 5 Liter Oel, 1 Liter Fischsauce, 500 Gramm Zucker und ein Stueck Seife, ausserdem 5 Meter Stoff pro Jahr. Selbst Naehgarn und -nadeln wurden nur auf Bezugsschein verkauft. Einem Festtag kam es gleich, wenn zusaetzlich noch ein kleines Stueck Schweinefett ausgegeben wurde.

Speisekarte

Das Restaurant liegt ziemlich versteckt in der Nam Tràng-Strasse im Stadtbezirk Ba Đình in der Naehe des Trúc Bạch-Sees. Geoeffnet ist taeglich von 7 Uhr bis 22 Uhr. Angeboten werden die typischen einfachen Gerichte aus jener Zeit. Auch die komplette Einrichtung einschliesslich Geschirr und Besteck stammt aus den 1980er Jahren. Das Essen von damals gibt es allerdings zu Preisen von heute. Die bewegen sich zwischen 50.000 VNĐ (knapp 2 Euro) fuer gebratenen Kuerbis mit Knoblauch und 110.000 VNĐ (gut 4 Euro) fuer geschmorten Schweinebauch. Der schon erwaehnte Maniokreis fehlt ebensowenig auf der Speisekarte wie suess-saure Fleischbruehe und gruener Tee. Ganz im Stil der damaligen Zeit sind allerdings manche der Gerichte auf der Karte gerade „ausverkauft“. Bezahlt werden muss mit Lebensmittelmarken, die man am Restauranteingang erwerben kann.

Reis mit ManiokSuess-Sauer-Suppe

Fuer uns war der Restaurantbesuch eine Reise in eine uns unbekannte Welt, fuer meine Maedels gleichzeitig auch eine lebendige Geschichtsstunde. Besucht wird das Lokal aber ueberwiegend von aelteren Menschen, die in ihren Erinnerungen schwelgen ueber eine Zeit, die hoffentlich nie wiederkommt.

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Cathrin

Lebensmittelmarken

Der Palast der H’Mông-Koenige

Palast 01

In der ersten Haelfte des 20. Jahrhunderts existierte im auessersten Norden Vietnams ein mehr oder weniger unabhaenggiges Koenigreich der H’Mông. Begruendet wurde es von Vương Chính Đức (H’Mông : Vaj Tsoov Loom, 1865-1947). Von seinem Palast in Sà Phìn im heutigen Distrikt Đồng Văn der Provinz Hà Giang, rund 125 Kilometer von der Provinzhauptstadt entfernt, herrschte er ueber 7.000 Untertanen im Norden und Nordwesten Vietnams, die ueberwiegend vom Mohnanbau lebten. Sein Einfluss reichte bis nach Laos. Seinen Reichtum erlangte der Koenig durch den Opiumhandel mit China. Sà Phìn war damals eine der Drehscheiben des Drogenhandels zwischen dem Goldenen Dreieck (Burma, Thailand, Laos) und den suedchinesischen Provinzen. Das Geld nutzte er nicht nur zum Bau seines Palastes, sondern auch zur Aufstellung einer Privatarmee. So konnte er in seinem abgelegenen Koenigreich immer eine gewisse Unabhaengigkeit von der Kolonialmacht Frankreich bewahren.

Vuong Chinh DucVuong Chi Thanh

Im Jahre 1945 schloss sich Vương Chính Đức nach einem Treffen mit Hồ Chí Minh dem Unabhaengigkeitskampf gegen Frankreich an. Wenig spaeter ernannte er aufgrund seines fortgeschrittenen Alters seinen zweiten Sohn Vương Chí Sình (1885-1962) zu seinem Nachfolger, der als Vương Chí Thành noch einige Jahre regierte.

Palast 02Palast 03

Der Palast wurde Anfang des 20. Jahrhunderts in achtjaehriger Bauzeit aus Stein, Holz und Terrakotta-Fliesen errichtet. Die Bauarbeiter kamen aus der chinesischen Provinz Yunnan, die Handwerker zur Verschoenerung des Bauwerkes waren H’Mông. Der Palast umfasst eine Flaeche von 1.120 Quadratmetern und diente vor allem zum Schutz vor feindlichen Angriffen. Neben den Wohnraeumen befanden sich Lagerhallen fuer Lebensmittel, Gold und Opiumprodukte. In den Jahren 2004 und 2005 wurde er umfassend restauriert und kann seitdem besichtigt werden. In der naeheren Umgebung befinden sich die Graeber der beiden Koenige und anderer Mitglieder das Familienclans.

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Cathrin

Grab von Vuong Chi Thanh

Helden des Befreiungskampfes – Nguyễn Văn Trỗi

Nguyen Van Troi

Hãy nhớ lấy lời tôi
Đả đảo đế quốc Mỹ
Đả đảo Nguyễn Khánh
Hồ Chí Minh muôn năm
Hồ Chí Minh muôn năm
Hồ Chí Minh muôn năm!

Nguyễn Văn Trỗi

Bitte denkt an meine Worte
Nieder mit dem amerikanischen Imperialismus
Nieder mit Nguyen Khanh
Lang lebe Ho Chi Minh
Lang lebe Ho Chi Minh
Lang lebe Ho Chi Minh!

General Nguyễn Khánh war der damalige Machthaber in Suedvietnam, bevor er im Februar 1965 durch einen Militaerputsch von Nguyễn Văn Thiệu und Nguyễn Cao Kỳ entmachtet wurde.

Nguyễn Văn Trỗi wurde am 1. Februar 1940 als drittes Kind einer armen Familie in einem Dorf im Distrikt Điện Bàn der zentralvietnamesischen Provinz Quảng Nam geboren. Nach der voruebergehenden Teilung des Landes im Jahre 1954 lebte seine Familie in Saigon. Neben seiner Arbeit als Elektriker in einem Kraftwerk war Nguyễn Văn Trỗi seit 1961 Mitglied eines Sondereinsatzkommandos der Nationalen Befreiungsfront. Er beteiligte sich freiwillig an der Planung und Durchfuehrung eines Attentates auf den damaligen US-Kriegsminister McNamara. Die Verminung der Bruecke, ueber die McNamara fahren sollte, schlug jedoch fehl. Am 9. Mai 1964 wurde Nguyễn Văn Trỗi verhaftet. Ein Fluchtversuch, bei dem er aus dem zweiten Stock des Polizeihauptquartieres in Saigon sprang, misslang. Er ueberlebte schwer verletzt. Im August wurde Nguyễn Văn Trỗi von einem Militaergericht zum Tode verurteilt und am 15. Oktober 1964 im Alter von 24 Jahren oeffentlich hingerichtet. Die Hinrichtung fand im Beisein zahlreicher auslaendischer Medienvertreter statt, die die beruehmten Worte, die er kurz vor seinem Tod ausrief, ueberlieferten.

In Vietnam wurden Strassen und Schulen nach dem Nationalhelden Nguyễn Văn Trỗi benannt. In einem 1966 in Nordvietnam gedrehten Spielfilm ueber sein Leben wird die Hinrichtungsszene (Video unten) sehr pathetisch dargestellt.

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Cathrin

Eine notwendige Geschichtsaufarbeitung

Landreform 01

Im Historischen Museum von Hanoi wurde am Montag eine Sonderausstellung ueber die Landreform der Jahre 1953 bis 1956 eroeffnet, die wahrlich kein Ruhmesblatt in der Geschichte des Landes ist. Zwar wurden mehr als 810.000 Hektar Land von reichen Grundbesitzern an 2,2 Millionen arme Haushalte verteilt, die Doerfer Nordvietnams gerieten dabei jedoch in einen Strudel der Gewalt.

Nach chinesischem Vorbild erfolgte die Klassifizierung der Dorfbevoelkerung in landlose, arme, Mittel- und reiche Bauern sowie Grossgrundbesitzer. Letztere mussten sich bei oeffentlichen Gerichtsverhandlungen verantworten, deren Ablauf einer vorher festgelegten Choreographie folgte. Die Volkstribunale endeten fuer viele Grossgrundbesitzer mit dem Todesurteil, das sofort auf dem Reisfeld durch Erschiessen vollstreckt wurde.

Da bei der Einstufung der Dorfbewohner vorgegebene Quoten erfuellt werden mussten, in vielen Doerfern aber faktisch kein Grundbesitz vorhanden war, wurden nicht wenige Bauern faelschlicherweise als Grossgrundbesitzer eingestuft und landeten so vor dem Erschiessungskommando. Nach den mir bekannten Quellen in diversen vietnamesischen Archiven muss von 3.000 bis 15.000 Opfern ausgegangen werden. Insgesam wurden mehr als 120.000 Menschen zu Unrecht angeklagt.

Diese Ausstellung ist der erste Versuch einer oeffentlichen Aufarbeitung dieses duesteren Kapitels. Eine Aufarbeitung, die eigentlich schon lange ueberfaellig ist. Ich werde mir die Ausstellung am Wochenende ansehen und dann entscheiden, ob ich eventuell mit interessierten Schuelern aus meinen 9. Klassen eine Exkursion dorthin mache.

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Cathrin

Landreform 02

Heldinnen des Befreiungskampfes (4) – Võ Thị Thắng

Vo Thi Thang

Dieses Foto ist wohl eines der bekanntesten Bilder aus dem Vietnamkrieg. Aufgenommen von einem japanischen Fotografen und veroeffentlicht mit dem Titel Das Laecheln des Sieges zeigt das Foto die damals 23jaehrige Studentin Võ Thị Thắng unmittelbar nach ihrer Verurteilung zu 20 Jahren Zuchthaus im Gerichtssaal des suedvietnamesischen Marionettenregimes am 2. August 1968. Die Aufnahme mit dem Lachen von Võ Thị Thắng wurde zum Symbol der Standhaftigkeit und des Kampfeswillens der vietnamesischen Jugend.

Võ Thị Thắng wurde 1945 in der Provinz Long An im Mekong Delta geboren. Im Alter von 16 Jahren schloss sie sich der Nationalen Befreiungsfront Suedvietnams an. Als Studentin leistete sie in Saigon konspirative Arbeit u.a. bei der Vorbereitung der Tết-Offensive, die am 31. Januar 1968 begann. Nach deren Niederschlagung wurde Võ Thị Thắng verraten und von den Schergen des Marionettenregimes verhaftet. Auch unter Folter verriet sie ihre Genossen nicht. Nach ihrer Verurteilung durch das Militaergericht lachte sie ihre Richter aus und fragte, ob sie wirklich daran glaubten, dass das suedvietnamesische Regime noch so lange bestehe, um das Urteil bis zum Ende zu vollstrecken.

Võ Thị Thắng musste ihre Haftstrafe im Konzentrationslager auf der beruechtigten Teufelsinsel Côn Sơn im Côn Đảo-Archipel verbuessen. Nach der Befreiung und Wiedervereinigung uebernahm sie zunaechst Funktionen im Jugendverband und im Frauenverband von Hồ Chí Minh-Stadt. 10 Jahre lang war sie Mitglied des ZK der Kommunistischen Partei, drei Wahlperioden sass sie als Abgeordnete im Parlament. Zuletzt leitete sie als Genearldirektorin die vietnamesische Tourismusbehoerde, war Vorsitzende der vietnamesisch-kubanischen Freundschaftsgesellschaft und Vizevorsitzende der vietnamesischen Frauenunion.

Am 22. August dieses Jahres starb Võ Thị Thắng leider viel zu frueh nach schwerer Krankheit im Alter von nur 69 Jahren. Beigesetzt wurde sie mit einem Staatsbegraebnis in ihrem Heimatort.

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Cathrin

Das Pentagon versucht, aus Verlierern Sieger zu machen

Von David Swanson | Antikrieg.com |

Am 200. Jahrestag der Esel von 1812, denen die Briten 1814 die Hauptstadt der Vereinigten Staaten von Amerika niederbrannten, sah ich mir den neuen Film von Rory Kennedy Last Days in Vietnam an. In diesem Film geht es um den Moment des Verlierens, der Niederlage, als das Militär der Vereinigten Staaten von Amerika zu guter Letzt den finalen Arschtritt bekam von den Vietnamesen, für die das nicht die letzten Tage Vietnams, sondern die letzten Tage des amerikanischen Krieges und der militärischen Okkupation durch den Westen waren.

So wie der Mittlere Osten heutzutage, wo die Vereinigten Staaten von Amerika damit beschäftigt waren, Kriege in Afghanistan und Irak zu verlieren und Libyen und Pakistan und Jemen und Palästina zu verwüsten, war Vietnam ein Desaster in der Zeit, in der der Film beginnt. Wie die Medien der Vereinigten Staaten von Amerika ISIS die Schuld an dem Zustand im Irak geben, so schiebt Last Days in Vietnam die Schuld den Nordvietnamesen zu. Das ist die Geschichte der Niederlage in Vietnam, aber sie wird vor allem von den Verlierern erzählt.

Eine vom Pentagon finanzierte Online-Feier des Kriegs der Vereinigten Staaten von Amerika gegen Vietnam beschreibt die in diesem Film gezeigten Vorfälle folgendermaßen:

„Die amerikanische Evakuierung geht zu Ende. Saigon fällt an die nordvietnamesischen Soldaten, und der organisierte südvietnamesische Widerstand gegen die kommunistischen Kräfte endet. Präsident Duong Van Minh gibt die bedingungslose Kapitulation der Republik Vietnam bekannt.“

Ich rate den Veterans for Peace (Veteranen für den Frieden), etwas gegen die laufende $65 Millionen teure Kampagne zur Glorifizierung des Kriegs der Vereinigten Staaten von Amerika gegen Vietnam zu unternehmen. Und ich empfehle, sich Last Days in Vietnam anzusehen, um einen Eindruck zu bekommen, wie Kriege enden. Besonders sollten sich diejenigen den Film ansehen, die es geschafft haben, nach all diesen Jahrzehnten Krieg noch immer mit Sieg oder Gewinnen oder Erfolg oder Errungenschaft in Verbindung zu bringen.

Die letzten Monate der Präsenz der Vereinigten Staaten von Amerika waren eine Zeit der Verleugnung durch den Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika und andere, dass die Nordvietnamesen kommen würden, um sie hinauszuwerfen. Jeder Amerikaner und jeder ihrer vietnamesischen Verbündeten und Kollaborateure hätte sicher mit allen Mitgliedern der Familie evakuiert werden können. Stattdessen kam es zu einer überstürzten Aktion in letzter Minute mit Helikoptern, die ins Meer geworfen wurden, nachdem sie ihre Passagiere auf Schiffe gebracht hatten, und vielen Zurückgelassenen, die den Tod vor Augen hatten.

Der Film gibt dem Kongress die Schuld, weil er Präsident Fords Antrag abgelehnt hat, die Mittel für eine Evakuierung zur Verfügung zu stellen. Aber das Pentagon hätte das sehr leicht selbst machen können, und Präsident Ford hat den Botschafter anscheinend nie angewiesen, das zu tun. Es spielt also die schaurige Musik, und blutrote Farbe fließt auf der Landkarte vom Norden in den Süden, wie die barbarischen kommunistischen Aggressoren, die nicht davor zurückschrecken, Gewalt anzuwenden, etwas, was Amerikaner nie machen würden, Saigon erreichen. Und sie kommen nur, weil Präsident Nixon von den Peaceniks aus dem Amt gejagt worden ist. Macht nichts, dass das schon ein paar Monate früher war, sie wären nie gekommen, wäre Nixon im Weißen Haus gewesen.

Natürlich neigt die Betrachtungsweise der Verlierer dazu, ebenso zu vernebeln wie zu enthüllen. Der Krieg musste zu Ende gehen. Das Volk, das um seine Heimat kämpfte, musste früher oder später über diejenigen siegen, die nur deswegen kämpften, weil sie schon am Kämpfen waren und die Schande nicht ertragen konnten, damit aufzuhören. Aber Last Days in Vietnam zeigt die Amerikaner, die den überstürzten Rückzug von zuhause aus verfolgten, Amerikaner, die früher in Vietnam „gedient“ hatten. Und diese glaubten, dass alle ihre Anstrengungen „zu nichts geführt“ hatten.

Nichts? Nichts? Vier Millionen hingeschlachtete Männer, Frauen und Kinder. Die Gesellschaft der Vereinigten Staaten von Amerika bezeichnet das als nichts. Von den Deutschen wird erwartet, dass sie wissen, wie viele Millionen ihre Regierung getötet hat. Von den Japanern wird verlangt, die vergangenen Sünden Japans zu studieren. Aber von den Vereinigten Staaten von Amerika wird erwartet, dass sie Nabelbeschau betreiben, ihre Missetäter glorifizieren und so tun, als wären ihre Niederlagen neutral, gleichgültig, nichtig.

Versuchen Sie, diese Geschichte auf Afghanistan oder Irak oder Gaza umzulegen – das trauen Sie sich nicht!

Mit freundlicher Genehmigung von www.antikrieg.com
Originalartikel vom 26. August 2014: Losing Losers and the Pentagon That Hires Them

Der letzte Welterklaerer?

Scholl-Latour

Peter Scholl-Latour ist tot. Er starb am Sonnabend im Alter von 90 Jahren. Scholl-Latour gehoerte auch meiner Meinung nach zu den bekanntesten und auf vielen Gebieten auch zu den kompetentesten deutschen Journalisten. Was aber bei den Schmierfinken, die heute teilweise die Redaktionsstuben von der Springer-Presse bis zur TAZ und auch die Fernsehstudios bevoelkern, nun allerdings nicht allzu schwer ist. Genau die Medien, die Scholl-Latour immer wieder heftig kritisierte, ueberbieten sich jetzt mit Lobeshymnen auf ihn. Mit den meisten Sachen, die er sagte oder schrieb, hatte der „letzte Welterklaerer“, wie er gerne genannt wird, ohne jeden Zweifel Recht. Trotzdem vermag ich nicht in die allgemeinen Lobeshymnen einzustimmen.

Schon sein Ende 1979 erschienenes Buch Der Tod im Reisfeld – Dreissig Jahre Krieg in Indochina, geschrieben aus der Sicht eines franzoesischen Kolonialherren, hinterliess bei mir einen zwiespaeltigen Eindruck. Dieser Eindruck wurde noch verstaerkt, durch den Radiomitschnitt einer oeffentlichen Veranstaltung vom 30. Maerz 1980, wo er sein gerade erschienenes Buch vorstellt. Dort outete er sich als fanatischen Antikommunisten und bezeichnete allen Ernstes den suedvietnamesischen Diktator Ngô Đình Diệm als einen ehrenwerten und bemerkenswerten Menschen. Auch seine Meinung zu den Roten Khmer in zweiten Teil des Mitschnittes kann ich ueberhaupt nicht nachvollziehen. Er bezeichnet sie zwar als Moerder, schlaegt sich aber im Konflikt zwischen Kambodscha und Vietnam eindeutig auf die Seite dieser Moerder. Selbstverstaendlich hat jeder Mensch das Recht auf Irrtum, und Aussagen wie

Es tut niemanden weh, wenn die Roten Khmer weiter in der UNO vertreten sind.

moegen zwar seinem damaligen unbefriedigenden Wissensstand entsprechen, sind aber fuer mich einfach absolut inakzeptabel. Den einstuendigen Mitschnitt kann man hier hoeren: P.Scholl-Latour, „Der Tod im Reisfeld“, 30.3.1980

Screenshot Junge Freiheit Screenshot: Werbebroschuere der Wochenzeitung „Junge Freiheit“

Verschwiegen wird von den meisten Medien die bemerkenswerte geistige Naehe Scholl-Latours zu Rechtspopulisten wie Elsaesser und Sarrazin. Der Hoehepunkt dieser Kungelei wurde im Jahre 2012 erreicht, als er in Leipzig auf einer von Elsaesser und seinem Magazin „Compact“ organisierten Veranstaltung gegen die gleichgeschlechtliche Ehe auftrat. Ausserdem war Scholl-Latour Autor bei der „Jungen Freiheit“, einer Wochenzeitung, die bekanntlich rechtsextremistisches Gedankengut verbreitet. 2008 erhielt er den von der „Jungen Freiheit“ vergebenen Gerhard-Loewenthal-Preis. Und nicht zu vergessen, was hat man von einem Menschen zu halten, der seine Popularitaet nutzt, um vehement die atomare Aufruestung Deutschlands zu fordern? Eine Diskussion wie sie im Kalten Krieg gefuehrt wurde, ist doch fast 20 Jahre nach dessen Ende mehr als nur absurd und wird heute nur noch von extrem Rechten Kreisen veranstaltet.

Der bekannte Medienjournalist und Blogger Stefan Niggemeier veroeffentlichte vor zwei Jahren im „Spiegel“ einen Artikel ueber Scholl-Latour, dem ich nur zustimmen kann. In die gleiche Kerbe haute bereits zwei Jahre zuvor Wolfgang Roehl im „Stern“ in der Reihe: Geisseln der Talkshows.

Um zum Schluss auch noch etwas Positives zu sagen: Scholl-Latour ist seiner rechtskonservativen Ueberzeugung immer treu geblieben, hat sich sein ganzes Leben lang nicht verbiegen lassen und blieb konsequent ehrlich. Eine Eigenschaft, die im heutigen Journalismus sehr selten ist. Ein aus seiner Sicht und der Sicht vieler Menschen erfuelltes Leben ist zu Ende gegangen. R.I.P., Peter Scholl-Latour.

Viele Gruesse
Cathrin