
Peter Scholl-Latour ist tot. Er starb am Sonnabend im Alter von 90 Jahren. Scholl-Latour gehoerte auch meiner Meinung nach zu den bekanntesten und auf vielen Gebieten auch zu den kompetentesten deutschen Journalisten. Was aber bei den Schmierfinken, die heute teilweise die Redaktionsstuben von der Springer-Presse bis zur TAZ und auch die Fernsehstudios bevoelkern, nun allerdings nicht allzu schwer ist. Genau die Medien, die Scholl-Latour immer wieder heftig kritisierte, ueberbieten sich jetzt mit Lobeshymnen auf ihn. Mit den meisten Sachen, die er sagte oder schrieb, hatte der „letzte Welterklaerer“, wie er gerne genannt wird, ohne jeden Zweifel Recht. Trotzdem vermag ich nicht in die allgemeinen Lobeshymnen einzustimmen.
Schon sein Ende 1979 erschienenes Buch Der Tod im Reisfeld – Dreissig Jahre Krieg in Indochina, geschrieben aus der Sicht eines franzoesischen Kolonialherren, hinterliess bei mir einen zwiespaeltigen Eindruck. Dieser Eindruck wurde noch verstaerkt, durch den Radiomitschnitt einer oeffentlichen Veranstaltung vom 30. Maerz 1980, wo er sein gerade erschienenes Buch vorstellt. Dort outete er sich als fanatischen Antikommunisten und bezeichnete allen Ernstes den suedvietnamesischen Diktator Ngô Đình Diệm als einen ehrenwerten und bemerkenswerten Menschen. Auch seine Meinung zu den Roten Khmer in zweiten Teil des Mitschnittes kann ich ueberhaupt nicht nachvollziehen. Er bezeichnet sie zwar als Moerder, schlaegt sich aber im Konflikt zwischen Kambodscha und Vietnam eindeutig auf die Seite dieser Moerder. Selbstverstaendlich hat jeder Mensch das Recht auf Irrtum, und Aussagen wie
Es tut niemanden weh, wenn die Roten Khmer weiter in der UNO vertreten sind.
moegen zwar seinem damaligen unbefriedigenden Wissensstand entsprechen, sind aber fuer mich einfach absolut inakzeptabel. Den einstuendigen Mitschnitt kann man hier hoeren: P.Scholl-Latour, „Der Tod im Reisfeld“, 30.3.1980
Screenshot: Werbebroschuere der Wochenzeitung „Junge Freiheit“
Verschwiegen wird von den meisten Medien die bemerkenswerte geistige Naehe Scholl-Latours zu Rechtspopulisten wie Elsaesser und Sarrazin. Der Hoehepunkt dieser Kungelei wurde im Jahre 2012 erreicht, als er in Leipzig auf einer von Elsaesser und seinem Magazin „Compact“ organisierten Veranstaltung gegen die gleichgeschlechtliche Ehe auftrat. Ausserdem war Scholl-Latour Autor bei der „Jungen Freiheit“, einer Wochenzeitung, die bekanntlich rechtsextremistisches Gedankengut verbreitet. 2008 erhielt er den von der „Jungen Freiheit“ vergebenen Gerhard-Loewenthal-Preis. Und nicht zu vergessen, was hat man von einem Menschen zu halten, der seine Popularitaet nutzt, um vehement die atomare Aufruestung Deutschlands zu fordern? Eine Diskussion wie sie im Kalten Krieg gefuehrt wurde, ist doch fast 20 Jahre nach dessen Ende mehr als nur absurd und wird heute nur noch von extrem Rechten Kreisen veranstaltet.
Der bekannte Medienjournalist und Blogger Stefan Niggemeier veroeffentlichte vor zwei Jahren im „Spiegel“ einen Artikel ueber Scholl-Latour, dem ich nur zustimmen kann. In die gleiche Kerbe haute bereits zwei Jahre zuvor Wolfgang Roehl im „Stern“ in der Reihe: Geisseln der Talkshows.
Um zum Schluss auch noch etwas Positives zu sagen: Scholl-Latour ist seiner rechtskonservativen Ueberzeugung immer treu geblieben, hat sich sein ganzes Leben lang nicht verbiegen lassen und blieb konsequent ehrlich. Eine Eigenschaft, die im heutigen Journalismus sehr selten ist. Ein aus seiner Sicht und der Sicht vieler Menschen erfuelltes Leben ist zu Ende gegangen. R.I.P., Peter Scholl-Latour.
Viele Gruesse
Cathrin